
29/06/2025 0 Kommentare
Worüber reden wir eigentlich?! - Predigt von Vikar Olsen am 2. Sonntag nach Trinitatis
Worüber reden wir eigentlich?! - Predigt von Vikar Olsen am 2. Sonntag nach Trinitatis
# D | Predigten

Worüber reden wir eigentlich?! - Predigt von Vikar Olsen am 2. Sonntag nach Trinitatis
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
Eine italienische Stadt, Kanäle mit Gondeln darauf, eine malerische Kulisse, ein Milliardär, eine Entertainerin, viele prominente Gäste, Privatjets und Luxusjachten, viele Millionen, viel Protest, viel Presse… Worüber rede ich eigentlich?!
Liebe Gemeinde,
der eine oder die andere hat es vielleicht erkannt: Was ich eben mit wenigen Stichworten umrissen habe, war die Hochzeit eines der reichsten Menschen der Welt am vergangenen Wochenende. Eine Veranstaltung der Superlative – mit viel Glanz, Prominenz und Aufmerksamkeit. Aber selbst wenn all das an Ihnen vorbeigegangen ist, haben Sie nichts verpasst. Denn am Ende ging es – trotz aller Schlagzeilen – um etwas sehr Einfaches und zugleich sehr Kostbares: um das Ja-Wort zweier Menschen zueinander – noch dazu in einer Kirche. Wir können aus der Presse vieles über prominente Hochzeiten wie diese erfahren, aber die wesentlichen Dinge bleiben oft verborgen: Was war der Trauspruch des Brautpaares? Wie hat sich der Moment angefühlt, als die beiden den Segen für ihre Ehe erhalten haben? Welche Fürbitten wurden für diese beiden Menschen gesprochen, die miteinander durchs Leben gehen möchten?
Klar kann man darüber streiten, was an so einem Tag wichtig ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Großteil der Dinge, die wir in den vergangenen Tagen lesen und hören durften, es nicht war. Als Menschen sind wir gut darin, uns von vielen Dingen ablenken zu lassen, die uns auf den ersten Blick wichtig erscheinen, es aber bei genauerem Nachdenken gar nicht sind. Und dann ist es gut, sich selbst oder seinem Gegenüber die banale Frage zu stellen: Worüber reden wir eigentlich?!
Genau diese Frage habe ich mir beim erstmaligen Lesen unseres heutigen Predigttextes aus dem Buch des Propheten Jesaja auch gestellt: Worüber redet der eigentlich?!
1 Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! 2 Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und euren sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben. 3 Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, euch die beständigen Gnaden Davids zu geben. 4 Siehe, ich habe ihn den Völkern zum Zeugen bestellt, zum Fürsten für sie und zum Gebieter. 5 Siehe, du wirst Völker rufen, die du nicht kennst, und Völker, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen um des Herrn willen, deines Gottes, und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat.
„Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt – kommt, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!“ – so schallt es über den Platz den Israeliten im babylonischen Exil entgegen. Ein alter Ruf, der fast wie ein Werbespruch aus einer anderen Zeit klingt: „Kommt, kauft und esst!“ Worum geht es hier eigentlich?
Es klingt zunächst wie das, was wir aus der Werbung kennen: laut, verlockend, zu schön, um wahr zu sein. Das klingt nach Überfluss, nach Rabattaktionen, nach Gratisproben, nach einem dieser Slogans: „Zahl wenig – erlebe viel!“ Wir haben uns an solche Töne gewöhnt. Jeder will unsere Aufmerksamkeit. Alle bieten etwas an. Die Wirtschaft, die Politik, die Werbung, soziale Medien – sie schreien uns förmlich an mit ihren Versprechungen: Wenn du dieses kaufst, wenn du jenes abonnierst, wenn du hieran glaubst, dann wirst du glücklich, gesund, erfolgreich.
Jesaja beginnt zwar ähnlich wie die Stimmen dieser Welt, wie ein Marktschreier, und stimmt doch am Ende in diese Welt der lauten Versprechen leisere Töne an. Und das liegt vor allem an dem, worüber er eigentlich reden möchte. Denn Jesajas Worte sind keine Verkaufsstrategie. Es ist eine Einladung, die unser Innerstes ansprechen soll. Jesaja spricht in den Israeliten eine Sehnsucht an: die Sehnsucht nach Gott und seinen Verheißungen. Obwohl sie sich nach so langer Zeit im babylonischen Exil einigermaßen eingerichtet haben, materiell – soweit man das heute weiß – versorgt waren, stößt Jesajas Ruf nicht auf taube Ohren, sondern trifft diese alte Sehnsucht. Es ist die Sehnsucht nach der alten Heimat, dem gelobten Land, dem Zion, dem Ort, der ihnen einst verheißen wurde und nach Gott selbst, der sich ihnen wieder ganz neu zeigt.
Eine solche Sehnsucht kann man nicht einfach mit Konsum stillen. Eine solche Sehnsucht bleibt – mal als Motivation, die mich antreibt weiterzumachen, mal als schmerzliche Leere in meinem Inneren. Ich frage mich, welche Sehnsüchte wir heutzutage mit uns herumtragen, die wir mit Konsumgütern zuschütten, ohne uns selbst mal die Frage zu stellen, worum es wirklich geht. Jesaja redet über Wasser und verweist doch im Laufe seiner Rede auf eine viel tieferes Bedürfnis, dass es zu stillen gilt.
Wir alle sind hungrig, durstig, bedürftig. Danach, dass unser Leben Sinn ergibt. Danach, dass wir geliebt und gehalten sind. Danach, dass wir Hoffnung haben. Danach, dass wir ankommen – nicht nur irgendwo, sondern bei uns selbst, bei Gott. Das ist keine Schwäche, sondern eine tiefe menschliche Wahrheit: Wir alle tragen eine Sehnsucht in uns, die eben nicht mit Geld und auch nicht mit wortreichen Belanglosigkeiten zu stillen ist.
Und genau das spricht Jesaja nun kritisch an: „2 Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und euren sauren Verdienst für das, was nicht satt macht?“ Warum rennen wir Angeboten hinterher, die uns nicht erfüllen? Warum investieren wir so viel in Dinge und Themen, die uns innerlich leer lassen? Warum reden wir so viel und so laut, ohne am Ende wirklich auszudrücken, was wir uns wünschen?
Die Gesellschaft, in der wir leben, ist gut darin, uns Angebote zu machen – aber schlecht darin, uns zur Ruhe zu bringen. Es fehlt an ruhigen Momenten, wo wir uns mal die Fragen stellen könnten, was uns wirklich satt macht. Und auch unsere Politik ist es: Alles lässt sich regeln, wenn man nur genug investiert. Aber die tiefsten Fragen bleiben offen: Wer sind wir eigentlich und wer wollen wir sein? Was uns wirklich wichtig? Und schließlich sind wir selbst gut darin, die wirklich wichtigen Fragen beiseitezuschieben, sie im Lärm dieser Welt zu überhören und zu ignorieren: Wer bin ich und wer möchte ich sein? Was gibt meinem Leben Tiefe? Was ist wirklich wichtig?
Jesaja antwortet: „Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben.“
Dieses ‚Hören‘ ist mehr als nur zuhören – es ist ein Sich-Öffnen für das Gottes Verheißungen. Es lädt uns ein, vom oberflächlichen Gerede und Konsum abzusehen und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren: die lebendige Beziehung zu Gott und den Menschen. Nicht das viele Reden oder das ständige Haben macht uns satt, sondern das bewusste Annehmen dessen, was uns wirklich nährt. „Hört, so wird eure Seele leben.“
Das ist der entscheidende Wechsel. Nicht: Mach etwas. Kauf etwas. Sei jemand. Sondern: Höre.
Gott will gehört werden. Nicht übertönt von all den anderen Stimmen, sondern erkannt im leisen Ruf Jesajas. Wer hört, der merkt: Hier geht es nicht um Konsum, sondern um echte Beziehung zu Gott und am Ende zu meinem Nächsten. Nicht um Leistung, sondern um Leben. Nicht um Haben, sondern um Sein – so wie man eben ist. Und wer wirklich anfängt zu zuhören, der wird am Ende vielleicht sogar klarer sehen, was ihm wichtig ist. Und wer richtig zuhört, der kann auch adäquat antworten – und dann erst entsteht ein Gespräch. Ein Gespräch, in dem ich mal sagen kann, wie es mir wirklich geht. Ein Gespräch, wo mir jemand signalisiert, dass ich nicht alleine sein muss mit meinen Nöten und Ängsten. Ein Gespräch, wo jemand mich tröstet und das Schmerzhafte mit mir aushält.
„Hört und eure Seele wird leben!“ – das ist echte Seelsorge, d.h. echte Sorge für die (eigene) Seele.
Eine ganze Weile später nimmt Jesus diesen Gedanken auf, wenn er sagt: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid – ich will euch erquicken.“ Diese Einladung Jesu klingt wie eine Einladung zum Tisch, zum Mahl, das Leben schenkt. Auch hier keine Bedingung. Kein Eintrittspreis. Nur eine Einladung zu einem Gespräch an seinem Tisch. Im Abendmahl erfahren wir diesen Ruf: Kommt mit allem, was euch belastet, bringt eure Sehnsucht und eure Fragen mit. Hier ist kein Eintrittspreis zu zahlen, kein Leistungsnachweis nötig. Hier wird Nahrung für die Seele gereicht, lebendiges Brot und wahrer Wein, die uns erfüllen und tragen. Das Abendmahl ist eine lebendige Zusage, dass Gottes Gnade uns satt macht und für unsere Seele sorgen will. Es ist ein Zeichen, dass wir inmitten des Trubels und der vielen Worte zu dem kommen können, worum es wirklich geht – Leben in Gemeinschaft mit Gott und untereinander.
Wir wollen erfüllt leben. Wir wollen satt werden – äußerlich und innerlich. Ich bin überzeugt: Wer sich dem Wort Gottes aussetzt, Jesajas Worten zuhört und sich von Jesus einladen lässt, der findet etwas vor, das nachhaltig satt macht nicht nur heute, sondern für ein ganzes Leben:
Denn Gott sagt: „Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, euch die beständigen Gnaden Davids geben.“
Worüber reden wir eigentlich? Nicht über das, was glänzt und laut schreit, sondern über das, was uns wirklich nährt. Diese Nahrung finden wir am Tisch des Herrn. Wer sich darauf einlässt und wirklich hört, der lebt. Amen.
Kommentare