0451/30 80 10

Gottes Bogen in den Wolken: Predigt von Pastor Christof Jaeger im Dom

Gottes Bogen in den Wolken: Predigt von Pastor Christof Jaeger im Dom

Gottes Bogen in den Wolken: Predigt von Pastor Christof Jaeger im Dom

# D | Predigten

Gottes Bogen in den Wolken: Predigt von Pastor Christof Jaeger im Dom

Gnade seit mit Euch von Gott unserm Vater und unserm Herrn, Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde!

Bunt schillernd steht ein Regenbogen vor dunklen Wolken und strahlt in allen Farben des Lichtes. Wer genau hinschaut sieht vielleicht noch einen zweiten Bogen in einigem Abstand über dem anderen. Was für ein wunderbares Schauspiel!

Regen und Sonne, Licht und Dunkelheit braucht es, damit in seltenen Momenten diese flüchtige Erscheinung am Himmel leuchtet. Von der Erde in die Höhe weist der Bogen und verbindet so die irdische mit der himmlischen Sphäre. Wie durch Zauberei entsteht von einem Augenblick auf den anderen das farbige Glitzerbild. Manchmal verschwindet es dann wieder, nur um kurz darauf umso klarer neu aus dem Nichts aufzutauchen.

Kein Wunder, dass schon lange vor dem naturwissenschaftlichen Verständnis des Phänomens Erklärungen für dieses überirdische Schauspiel gesucht wurden. Eine Deutung des Himmelsspektakels liefert der Predigttext für den heutigen Sonntag, den wir als alttestamentliche Lesung vorhin gehört haben. Ich lese den Abschnitt aus dem ersten Buch noch einmal:

Noah ging heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, dazu alles wilde Getier, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen. Noah aber baute dem Herrn einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe. Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist. Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden. (Gen 8, 18-22; 9, 12-17)

Der Bogen in den Wolken als Erinnerungs- und Schutzzeichen, damit nie wieder eine Sintflut komme. Gott verpflichtet sich selbst, das Treiben des Menschen und der Tiere nicht wieder durch eine Vernichtungstat zu gefährden.

Die Freude über diese Zusage kann wohl kaum ohne Irritation auskommen. Dazu stellen sich zu offensichtlich schwer zu beantwortende Fragen:

Wie kann derselbe Gott erst eine Schöpfung in Gang setzen, um sie dann später wieder vernichten zu wollen? Welche Schuld trifft die vielen Tiere, die in den Fluten umkommen mussten? Wie lässt sich überhaupt der gewaltige Zorn Gottes erklären? Wie verlässlich sind die Zusagen eines Gottes, der so wankelmütig erscheint?

So naheliegend diese Fragen auch erscheinen mögen, sie gehen wohl an der Intention des Textes vorbei. Das wird verständlich, wenn man sich den gesamten Text der Sintflutgeschichte genauer anschaut. Wer die Geschichte aufmerksam liest, bemerkt Doppelungen, Brüche und Widersprüche im Verlauf. So wird z.B. einmal erzählt, Noah solle Tiere paarweise in die Arche aufnehmen. Dann wird auf einmal zwischen reinen und unreinen Tieren unterschieden. Von den reinen Tieren sollen dann 7 Paare mitgenommen werden.

Bei genauer Betrachtung lassen sich zwei Textschichten voneinander unterscheiden, die jeweils eigene Akzente in die Geschichte eintragen. Wer das feststellt, wundert sich nicht, dass es Geschichten von einer verheerenden Sintflut schon weit vor der Zeit des Alten Testaments im alten Orient gab.

Das Thema beschäftigte Menschen in unterschiedlichen Kulturen über einen sehr langen Zeitraum.

Vielleicht stand dahinter die Erfahrung einer verheerenden Flutkatastrophe in uralter Zeit, die religiös gedeutet wurde. Sicher waren die Geschichten kein Versuch, eine systematische und logisch stringente Theorie von Gott zu verfassen.

In den älteren Fassungen der Geschichte war nicht nur ein Gott am Werk, sondern mehrere. Die alttestamentliche Version stellt dieser Vielgötterwelt den einen Schöpfergott entgegen. Und der Akzent liegt gerade nicht auf dem Vernichtungswillen des Schöpfers, sondern auf der Zusage, dass Gott das Leben auf der Erde erhalten wird.

Gott zeigt in der Geschichte seine grenzenlose Macht. Er kann seine Schöpfung nach Belieben fortbestehen lassen oder vernichten. Er sieht das Treiben seiner Geschöpfe und bewertet ihr Denken und Handeln. Offenbar hat er ihnen die Freiheit zugestanden, sich in ihren Handlungen für das Gute oder das Böse zu entscheiden.

Vielleicht hatte Gott gehofft, diese Freiheit würde nicht so oft missbraucht.

Doch sein Urteil über das menschliche Herz fällt eindeutig aus: das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Das klingt hart und desillusioniert. Aber bei einem Blick auf die aktuelle Nachrichtenlage in der Welt fällt es schwer zu widersprechen.

Gott erkennt die begrenzten Möglichkeiten des Menschen an. Er sieht ein, dass wir aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, ein tadelloses und Gott gefälliges Leben zu führen. Wir bleiben angewiesen auf seine Liebe.

Dieser Gedanke wirkt heute vielleicht noch überzeugender als in früheren Zeiten.

Es ist noch nicht lange her, da hat die Menschheit sich selbst die Fähigkeit zur vollständigen eigenen Vernichtung erarbeitet. Die Bedrohung durch Atomwaffen schwebt seit einem knappen Jahrhundert über dem weiteren Schicksal der Weltgemeinschaft.

Unsere Lebensweise hat zu einer so starken Ausbeutung der irdischen Ressourcen geführt, dass wir selber die klimatischen Verhältnisse des Planeten verändern. Die damit verbundenen Risiken sind unüberschaubar. Wir sind verantwortlich für einen sich immer schneller vollziehenden Wandel unserer eigenen Lebensgrundlagen. Dabei sterben in zunehmendem Maße unsere Mitgeschöpfe auf dieser Welt aus. Die Angst vor dem Untergang unserer Welt ist heute weniger eine religiöse als eine wissenschaftlich gut begründete.

Bei einer Umfrage auf Lübecks Straßen hätten wohl die wenigsten Angst vor einem göttlichen Strafgericht. Trotzdem sind Zukunftsängste weit verbreitet. Weder die Klimakrise, noch die militärischen Konflikte oder die Verteilungsungerechtigkeit lassen besonders optimistisch in die Zukunft schauen.

Im Gegenteil: viele mögen keine Nachrichten mehr sehen, weil sie befürchten, Schaden an ihrer Seele zu nehmen. Gleichzeitig müssen wir schon durch unsere Lebensweise in Kauf nehmen, dass die weltweite Ungerechtigkeit und die klimatischen Veränderungen weiter voranschreiten. Als Einzelne sind unsere Einflussmöglichkeiten begrenzt und doch sind wir in diese Entwicklungen verstrickt und damit mitverantwortlich.

Dieses Wissen kann Menschen in die Resignation treiben. Andere verdrängen die Probleme oder sagen sich, da kann man sowieso nichts machen.

Vor diesem Hintergrund erreicht uns die Zusage Gottes am Ende der Sintflutgeschichte. Gott sieht die Unzulänglichkeit des Menschen. Streng genommen sieht er keine Hoffnung für seine Geschöpfe. Aus eigener Kraft kann der Mensch den guten, den lebensdienlichen Weg nicht gehen. Die Menschheitsgeschichte bestätigt dieses Urteil leider immer wieder.

Aber Gott hält an seiner Schöpfung fest. Nicht aus uns selbst heraus dürfen wir hoffen, die Zustände dieser Welt nachhaltig zu verändern. Aber wir können uns in den Strom der Liebe Gottes stellen, der sich in Jesus Christus uns zugewandt hat. An ihm können wir sehen, wie menschliches Leben gelingt. Er hat seinen Gottesglauben gelebt – auch als er damit keinen sichtbaren Erfolg hatte und sogar zum Tode am Kreuz verurteilt wurde.

Seine klare Haltung gegenüber seinen Mitmenschen hat viele bewegt und auf seinen Weg mitgenommen.

Auch wir sind heute in seinem Namen versammelt und können die Sintflutgeschichte im Lichte seines Lebens verstehen. Dann wird die Zusage Gottes: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ verbunden mit der Zuwendung Jesu zu den Menschen seiner Zeit und mit dem Beginn des Christentums bis heute.

Dann gibt es keinen Grund mehr für Resignation, Zynismus oder Verdrängung der Probleme. Aus der Zusage der Liebe Gottes heraus können wir unsere Kraft für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben nutzen.

Wir sind befreit zu einer Hoffnung, die über das vor Augen stehende hinaussehen kann. Der Regenbogen mit seinen bunten, leuchtenden Farben ist dafür ein wunderbares Symbol. Mitten im übelsten Regenwetter kann er auftauchen und daran erinnern, dass Glaube, Liebe und Hoffnung unserem Leben Richtung und Ziel geben.

Wer sollte uns daran hindern, dieses Bewusstsein in die Welt zu tragen?

 

Amen.

 

 

Christof Jaeger 

Pastor und Psych. Psychotherapeut 

Co-Leitung Studentische Telefonseelsorge in der ESG Hamburg

Dies könnte Sie auch interessieren