12/03/2025 0 Kommentare
Feierstunde zum 95. Geburtstag von Johannes Schreiter
Feierstunde zum 95. Geburtstag von Johannes Schreiter
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Feierstunde zum 95. Geburtstag von Johannes Schreiter
Anlässlich seines 95. Geburtstags hatten wir am letzten Samstag, 8.3.25, zu einer Feierstunde in die Briefkapelle von St. Marien zu Lübeck eingeladen.
Etwa 25 Gäste waren gekommen, um in der frisch renovierten Kapelle die Schreiter-Fenster zu bewundern.
Wir verlasen das Grußwort der Schreiter-Stiftung, das uns Herr Sehring übermittelt hatte, erzählten aus seinem Leben und ließen drei von ihm komponierte Klavierstücke erklingen.
Er war nicht nur ein begnadeter Glasmaler, sondern ein ebensolcher Komponist.
Es war eine feierliche Stunde und ein Austausch darüber, was wir in den Fenstern der Briefkapelle sehen, empfinden, spüren und denken.
Unser ehrenamtlicher Mitarbeiter, Herr Eicke, hatte wunderbare Worte vorbereitet und hat uns Johannes Schreiter und sein Werk lebhaft vor Augen und Ohren geführt.
Wir wünschen dem Künstler sehr herzlich alles Gute und ein glückliches Leben.
Grußwort zur Feierstunde anlässlich des 95. Geburtstags von Johannes Schreiter in der Briefkapelle von St. Marien – Lübeck, 08. März 2025
Sehr geehrter Herr Pastor Pfeifer, lieber Herr Eicke, sehr geehrte Mitarbeitende und Mitglieder der St. Marien-Gemeinde, meine Damen und Herren, liebe Freunde der Glasmalerei und des Werks von Prof. Schreiter,
die Gesamtverglasung der Lübecker Briefkapelle ist zweifellos eines der Hauptwerke Johannes Schreiters aus den frühen Achtzigerjahren. So manches scheint bei diesen eindrucksvollen Bleiglasfenstern einem steten Wandel unterworfen: sowohl die offenbar morschen Textilbahnen als auch die frei bewegten roten Bänder. Dass der Betrachter diese Art von Realitätsfragmenten in den Fensterflächen überhaupt wahrzunehmen imstande ist, bezeugt die innovative Gestaltungskraft des Glasbildners, der die Bildelemente sozusagen „individualisiert“ hat. Denn das starre Rautenmuster ist ja eines der ältesten Ornamente der Glasmalerei, und bei Fenstern der Romanik findet sich bereits schon der umlaufende schmale Rahmenstreifen.
Von der Fläche zum Raum: Das Tektonische, Architektonische – das Schreiter immer wichtig war (man beachte nur, wie sensibel und im wahrsten Sinne des Wortes „einleuchtend“ der Künstler auf die Rippen des gotischen Sternengewölbes reagiert) – wird inhaltlich umgedeutet, vergegenständlicht und damit in gewisser Weise auch verlebendigt.
Schreiter nennt solche Werke aus seiner mittleren Schaffensphase „Fragmentraum-Bilder“. Die in zwei Jahren – 1977 und 1981 – entstandenen Entwürfe zum Projekt Briefkapelle wurden 1982 sämtlich vom Glasstudio Derix ausgeführt (Fragmentraum-Bild 45/1977/F: Ost- und drei Südfenster; Fragmentraum-Bild 61/1981/F: Südfenster mit Supraporte und Westfenster).
Der Theologe Rainer Volp sah schon damals in den zerrissenen Netzen und Gewebefragmenten „Spuren erlösender Erfahrungen, die ohne Verwundbarkeiten und Zerreißproben niemand denken kann… Was also zerstört erscheint, ist eine (…) Chiffre für Erlösung und Befreiung im umfassenden Sinne“. Absolut nachvollziehbar, dass der Künstler selber, nämlich in seinem privaten, handschriftlich geführten Werkverzeichnis, die Lübecker Fensterentwürfe seinerzeit mit einer ihn inspirierenden Textpassage aus dem 124. Psalm versah: „Unsre Seele ist entronnen wie ein Vogel dem Netze des Vogelfängers; das Netz ist zerrissen, und wir sind frei.“ (Ps 124,7)
Freilich sind alle Arbeiten Schreiters – auch das erst viel später entstandene Fenster des Westportals von St. Marien (S.D.G. 9/1997/F II; ausgeführt 1999 mit Fa. Derix) – ausgesprochen „offene“ Kunstwerke, die dem Betrachter generell einen sehr weiten Assoziations- und Interpretations-Spielraum bieten. In diesem Sinne sind nun Sie, sehr geehrte Damen und Herren – die Sie sich heute zu Ehren des Künstlers und seines 95. Geburtstags zusammengefunden haben –, eingeladen, sich Ihre eigenen Gedanken zu den Lübecker Fenstern zu machen.
Johannes Schreiter ist in seinen Gedanken bei Ihnen allen und wünscht im Anschluss an Ihre ganz persönliche Entdeckungsreise viele gute Gespräche, eine schöne gemeinsame Zeit sowie den guten, reichen Segen Gottes! – Falls es Sie demnächst ins Rhein-Main-Gebiet verschlagen sollte, sind Sie herzlich eingeladen, unsere Schreiter-Sammlung im kleinen Museum „Glas/Werke/Langen“ zu bewundern.
Mit besten Grüßen – im Namen der Langener Johannes-Schreiter-Stiftung –
Gunther Sehring M.A.
Langen (Hessen), den 08. März 2025
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