29/05/2025 0 Kommentare
Ein klares Bekenntnis - Predigt von Vikar Olsen an Himmelfahrt
Ein klares Bekenntnis - Predigt von Vikar Olsen an Himmelfahrt
# D | Predigten

Ein klares Bekenntnis - Predigt von Vikar Olsen an Himmelfahrt
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
Ein klares Bekenntnis – von diesem konnten wir kürzlich in den Medien lesen. Genauer: ein „klares Bekenntnis zur Verantwortung für das bauliche Welterbe“. Gemeint war der Beschluss der Lübecker Bürgerschaft in ihrer jüngsten Sitzung, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen für St. Marien und diesen Dom finanziell zu unterstützen. In der Tat könnte man eine Fördersumme in dieser Höhe ein klares Bekenntnis betiteln. Ein Bekenntnis in finanzieller Form.
Auch viele kleine und große, sehr persönliche finanzielle Bekenntnisse wurden in den vergangenen Jahren gemacht – von Menschen, die eine Liebe für dieses Gebäude empfinden und sich mit ihrem Beitrag am Erhalt beteiligen. Es gibt jedoch auch noch andere Formen von Bekenntnis bspw. in durch die bloße Präsenz: Menschen aus Kirche, Politik und Gesellschaft, die durch ihren wiederkehrenden Besuch zeigen: Dieses Haus bedeutet uns etwas. Und nicht zuletzt sind es die nicht abreißenden Besucherströme, die deutlich machen: Dieser Dom berührt. Diese Kirche spricht. Und sie spricht nicht zuletzt auch literarisch oder medial: Wenn Thomas Mann in seinen Werken die „siebengetürmte Stadt“ beschreibt, ist das ebenso ein klares Bekenntnis wie wenn jemand, täglich heutzutage „seinen Dom“ in den sozialen Medien teilt.
Solche klaren Bekenntnisse gibt es viele und das ist erfreulich! Es ist schön zu erleben, dass Gotteshäuser wie diese Menschen berührt und sie veranlasst, etwas zu ihrem Erhalt beizutragen. Man kann gar nicht dankbar genug für jeden noch so kleinen Beitrag sein! Und vielleicht gibt es einen Grund, warum eben auch Menschen, die nicht zwingend einer Kirchengemeinde angehören, trotzdem sich zu ihnen bekennen: Diese Gebäude sind greifbar. Sie stehen vor uns. Sie berühren uns unmittelbar. Man kann sie ansehen, anfassen, begehen, bestaunen.
Doch wie verhält es sich mit einer Sache, die schwerlich zu begreifen ist? Etwas, das sich unserem Zugriff entzieht? Heute feiern wir Himmelfahrt – der 40. Tag nach Ostern. Die österliche Freude liegt noch in der Luft, Hoffnung auf neues Leben, auf einen neuen Anfang – und doch ist heute irgendwie auch ein Abschied. Jesus ist seit 40 Tagen wieder unter seinen Jüngern. Viele konnten und wollten anfangs nicht glauben, was sie sahen. Doch nach und nach, Schritt für Schritt, kehrte Überzeugung ein: Ja, er ist wirklich auferstanden.
Und jetzt? Wie geht es jetzt weiter? Wir Jesus nun in dieser Welt vollenden, was er begonnen hat? Was müssen die Jünger damals für Hoffnungen gehabt haben, als sie sich selbst von der Auferstehung überzeugen konnten! Wir lesen jedoch etwas anderes:
„Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.“ So berichtet es das Lukasevangelium (24,50–51). Ein eindrückliches Bild – und doch auch eines, das Fragen aufwirft. Himmelfahrt wird oft unter freiem Himmel gefeiert, festlich, bei frühsommerlichem Wetter, mit weitem Blick nach oben. Und dann gibt es aber auch Gemeinden, die an diesem Tag symbolisch die Osterkerze löschen. Denn: Jesus ist nun wieder weg. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich Himmelfahrt bewegt. Christus ist erhöht – doch die Jünger stehen da, wie einst am Ostermorgen: ratlos. Wie geht es nun weiter? An wen oder was halten wir uns jetzt? Wie geht es weiter mit uns als Gemeinschaft Christi? Werden wir mit Christus und damit mit Gott verbunden bleiben, auch wenn wir ihn nicht mehr sehen können?
Fragen, die sich nicht nur an Himmelfahrt stellen. Sie schwingen mit, wann immer wir als Gemeinde unterwegs sind. Wie geht es nun weiter? An wen oder was halten wir uns jetzt? Wie geht es weiter mit uns als Gemeinschaft Christi? Werden wir mit Christus und damit mit Gott verbunden bleiben, auch wenn wir ihn nicht mehr sehen können? Und wenn wir ehrlich sind, fällt es uns als Kirche und als Gemeinde zunehmend schwer, auf diese Fragen befriedigende Antworten zu finden.
Das können wir sogar buchstäblich sehen – denn wenn wir uns hier umschauen, sind etliche Plätze frei in diesem Gotteshaus. So leicht es uns als Gemeinde fällt, Menschen die Geschichte von diesem Haus zu erzählen, so schwer scheinen wir uns damit zu tun, Geschichte von dem zu erzählen, der nicht so schwer zu begreifen ist. Und doch sind wir aufgerufen, verbunden zu bleiben – miteinander und mit Christus. Neue Perspektiven zu entwickeln, Menschen neu in diese Gemeinschaft einzuladen – nicht weil wir irgendetwas retten müssten, nicht weil dieses Gebäude doch bitte seinen Zweck als Gotteshaus erfüllen soll, sondern weil die Menschen darin und außerhalb es uns wert sind. Und weil die frohe Botschaft es wert ist, geteilt zu werden.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist unser Auftrag heute. Eine sanierte Kirche ist dabei ein schöner Anlass zur Freude und ein guter Antrieb – aber sie nimmt uns unseren Auftrag, den wir als Gemeinde Jesu Christi haben, nicht ab. Aber wie kann das gelingen? Wie müsste eine Werbekampagne aussehen, die nicht die Sieben Türme in den Mittelpunkt stellt, sondern die Frohe Botschaft vom Auferstandenen?
Vielleicht hilft uns dabei ein Blick in unseren Predigttext für den heutigen Sonntag. In eine Zeit, in der ein Gotteshaus fertiggestellt wird: der Tempel in Jerusalem. Einst im Bund zwischen Gott und König David verheißen, nun durch seinen Sohn Salomo fertiggebaut. Sieben Jahre soll der Bau gedauert haben. Und dann ist es fertig und die Bundeslade – das Zeichen von Gottes Gegenwart – zieht ein, vor den Augen des ganzen Volkes.
Ein großer Moment. Und in diesem Moment tritt Salomo vor den Altar, breitet seine Hände aus und spricht Worte, die später als Tempelweihgebet bekannt werden:
„Herr, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage.“
Salomo ist bewegt. Voller Freude über das Gelungene. Aber er bleibt nicht in dieser Freude stehen. Er denkt weiter. Und er fragt:
„Denn sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?“
Es ist weniger eine Frage, als vielmehr eine Erkenntnis: Gott passt in kein Gebäude – nicht einmal in das größte, schönste, prächtigste. Nicht in den Jerusalemer Tempel. Nicht in unseren Dom.
Und aus dieser Einsicht zieht Salomo eine Konsequenz. Er bittet Gott um etwas für die Gegenwart und die Zukunft: „Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, Herr, mein Gott, auf dass du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.“
Mitten im größten Triumph macht Salomo sich klein. Nicht als großer König spricht er Gott an, sondern als Gottes Knecht. Er hebt den Blick, richtet ihn gen Himmel – dorthin, woher er Hilfe erwartet. Nicht das Gebäude, sondern das Gebet ist seine Verbindung zu Gott. Persönlich. Demütig. Beständig. Salomos Auftrag endet nicht mit der Fertigstellung des Tempels. Er beginnt erst und wird zu einer Lebensaufgabe.
Etwas Ähnliches geschieht viele Jahrhunderte später – am selben Ort, wo einst der erste Tempel stand: In Jerusalem. Jesus ist mit seinen Jüngern wieder zusammen. Draußen vor der Stadt geschieht etwas, das genauso bedeutsam ist, wie der Tempelbau – kein neues Wunder, sondern eine allerletzte Rede: „Da öffnete er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden, und sprach zu ihnen: So steht’s geschrieben, dass der Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.“ (Lk 24,45ff.)
Auch hier wird eine Erkenntnis geteilt und ein Auftrag erteilt. „Ich sende euch“, sagt Jesus. Im Matthäusevangelium sogar noch klarer: „Darum gehet hin und lehret alle Völker, taufet sie und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ Diese Erkenntnis erwächst in keinem Gotteshaus sondern unter dem blauen Himmel – im Nirgendwo. Und dieser Auftrag ist an kein Gotteshaus gebunden, sondern gilt fortan immer und überall. Diese Erkenntnis überlässt Jesus auch nicht nur Pastorinnen und Werbetextern, sondern jedem und jeder, der ihm nachfolgt.
Wie weit ist es mit unserer Erkenntnis? Hören wir diesen Auftrag Jesu an seine Jünger nach wie vor als unseren Auftrag?
Wie oft erkennen wir wirklich, dass mit der Fertigstellung eines Gotteshauses nicht alles endet – sondern alles erst beginnt? Wie oft richten wir unseren Blick bewusst auf Gott – und erkennen: Nicht der Erhalt eines Gebäudes, sondern unser Gespräch mit Gott ist die eigentliche Verbindung, die zählt? Und wie oft wird aus dieser Erkenntnis ein Bekenntnis – das nicht nur innerhalb dieser Kirchenmauern, sondern auch in unserer Stadt gehört wird?
Ein klares Bekenntnis muss nicht laut und schrill sein. Es darf, wie bei Salomo, nachdenklich, fragend, demütig – aber beständig und hoffnungsvoll sein.
Ein klares Bekenntnis – getragen von der Erkenntnis, die Botschaft vom Auferstandenen weiterzutragen – im Leben, im Gespräch, im Gebet.
Ein klares Bekenntnis – im Bewusstsein, dass wir auf Gottes Gegenwart, auf Christi Auftrag und auf die Kraft des Heiligen Geistes angewiesen bleiben. Heute und an allen Tagen.
Ein klares Bekenntnis – dazu lade ich Sie heute herzlich ein. Amen.
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