
12/10/2025 0 Kommentare
Danksagung und Versöhnung: Predigt von Dean Philip Plyming (Durham/GB) im Dom
Danksagung und Versöhnung: Predigt von Dean Philip Plyming (Durham/GB) im Dom
# D | Predigten

Danksagung und Versöhnung: Predigt von Dean Philip Plyming (Durham/GB) im Dom
Danksagung und Versöhnung
Kolosser 1,9–20; Lukas 17,11–19
Allmächtiger und barmherziger Gott, wir treten jetzt vor dich, um dein Wort zu hören. Sende uns deinen Heiligen Geist, damit wir dein Reden erkennen und in unseren Herzen bewahren. Lass meinen Mund dein Lob verkünden und unsere Herzen offen sein für deine Wahrheit. Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
Es ist mir eine große Freude und Ehre, heute Morgen bei Ihnen zu sein. Die Gemeinde der Kathedrale von Durham lässt Sie herzlich grüβen. Es war mir eine groβe Freude, Pastor Martin Klatt und Pastorin Margrit Wegner im Juli in Durham willkommen zu heißen und sie bei uns zu Hause zum Abendessen zu empfangen. Ich bin ihnen sehr dankbar für die Einladung, heute hier zu predigen – als weiteren Ausdruck der Beziehung zwischen unseren beiden alt-erwührdigen Zentren der Anbetung und des Gebets.
Vielleicht wissen Sie etwas über die Kathedrale von Durham, in der ich als Dekan diene. Sie wurde im Jahr 995 gegründet, als Frauen und Männer mit dem Leichnam des heiligen Cuthbert, unserem Heiligen aus dem 7. Jahrhundert, dort ankamen und eine dauerhafte Heimat suchten. Das heutige Gebäude stammt aus dem Jahr 1093 und beherbergt heute auch den Ehrwürdigen Beda, Kirchenlehrer und herausragender Geist des 8. Jahrhunderts.
An der Kathedrale von Durham lautet unsere Mission: „Inspiriert von unseren Heiligen Cuthbert und Beda ist es die Aufgabe der Kathedrale von Durham, allen Menschen die Möglichkeit zu geben, Gott zu begegnen und die Liebe Gottes in Jesus Christus zu erfahren.“ Wir haben eine klare Vision bis zum Jahr 2033 – dem 900. Jahrestag der Fertigstellung der heutigen Kathedrale – die sich auf vier Prioritäten stützt: „Begegnung mit Gott: Pilgerfahrt, Gebet und Verkündigung“. Und wir freuen uns über unsere weltweiten Beziehungen – auch hier in Lübeck.
Ich möchte heute Morgen über die beiden Themen Danksagung und Versöhnung sprechen. Diese Themen werden uns in der Evangeliumslesung aus Lukas 17 vorgestellt. Jesus heilt zehn Aussätzige, aber nur einer kehrt zurück, um ihm zu danken. Und dieser eine wird vom Herrn gelobt. Jesus preist denjenigen, der erkennt, was Gott für ihn getan hat, und der mit aufrichtigem Dank darauf antwortet. Und dieser Mann ist ein Samariter – ein Fremder für das Volk Israel, dem man mit Misstrauen, wenn nicht gar mit Feindseligkeit begegnete. Doch Jesus heilt ohne Ansehen der Person und verkörpert so die Versöhnung zweier Gemeinschaften, die über Jahrhunderte getrennt waren.
Wenn diese Themen also in unserer Evangeliumslesung eingeführt wurden, so werden sie in der Lesung aus dem Kolosserbrief noch vertieft. In seinem Brief an die junge christliche Gemeinde ist Paulus’ einleitendes Gebet übervoll mit Dankbarkeit: „Er gebe euch Kraft, alles geduldig und standhaft zu ertragen. Dankt dem Vater mit Freude“ (vgl. Kol 1,11–12). Paulus sieht, was Gott getan und gegeben hat: ein Erbe unter den Heiligen, Rettung aus der Macht der Finsternis und die Bürgerschaft im Reich Gottes. Und sein Herz platzt fast vor Dank.
Sowohl Deutschland als auch das Vereinigte Königreich stehen derzeit vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen, und auch die großen Kirchen verzeichnen einen allgemeinen zahlenmäßigen Rückgang. In solchen Zeiten ist es leicht, den Blick auf das zu richten, was wir nicht mehr haben, statt auf das, was uns bereits gegeben wurde. Doch eine der Lektionen, die ich von unserem großen Heiligen Cuthbert gelernt habe, ist: Selbst in zutiefst schwierigen Zeiten ist es richtig, Gott Dank und Lob zu bringen, denn das, was er uns in Jesus Christus gegeben hat, wird uns niemals genommen werden.
Vor Kurzem habe ich ein Buch über ein Gebet fertiggestellt, das wir regelmäßig in der Kathedrale von Durham verwenden: das „General Thanksgiving“ (Allgemeine Dankgebet). Es wurde 1662 für das Book of Common Prayer verfasst und wurde von Generationen von Anglikanern auswendig gelernt, die es in guten wie in schlechten Zeiten zum Danken verwendeten. In meinem Buch, das Ende diesen Monats erscheinen wird, möchte ich dieses alte Gebet einer neuen Generation vorstellen, weil ich den Eindruck habe, dass es uns zunehmend schwerfällt, Dank zu sagen. Doch Dank zu sagen, tut uns gut – und es ist eine angemessene Antwort auf alles, was Gott für uns getan hat.
Und was ist mit Versöhnung? Hier liegt das Entscheidende am Werk Gottes in Jesus Christus: Es geht nicht nur um einzelne Menschen, als ob Gott lediglich daran interessiert wäre, Menschen individuell zu segnen. Paulus’ Sicht auf Gottes Werk ist viel größer. Sie gründet in einer kosmischen Vision Christi, des „Erstgeborenen der ganzen Schöpfung“. Paulus sagt: „Alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen“ (Kol 1,16) – eine Wahrheit, die dem anderen Heiligen der Kathedrale von Durham, dem Ehrwürdigen Beda, das Vertrauen gab, so viele Aspekte der Schöpfung zu erforschen. Ob es Sterne, Zeit, Sprache oder Geschichte waren – Beda war überzeugt: Alles ist durch Christus und für Christus ins Dasein gekommen.
In diesem kosmischen Christus „hat alles seinen Bestand“ (Kol 1,17). Vielleicht geht es Ihnen wie mir, dass Sie manchmal die Nachrichten sehen und sich fragen, wohin sich unsere Welt eigentlich bewegt. Die Dinge werden vielleicht schneller – aber nicht unbedingt besser. Wo die Welt auseinanderzudriften scheint, bietet Jesus Christus Hoffnung auf Versöhnung. Denn wie Paulus weiter sagt: „Durch ihn hat Gott alles mit sich versöhnt, im Himmel und auf Erden, indem er Frieden gestiftet hat durch das Blut seines Kreuzes“ (Kol 1,20).
Die wunderbare versöhnende Wahrheit des Evangeliums lautet: Am Fuß des Kreuzes sind wir alle gleich. Was uns trennt – ob Herkunft, Nationalität oder politische Überzeugung – kann für die, die Christus durch sein am Kreuz vergossenes Blut miteinander versöhnt hat, nicht das letzte Wort haben.
Ich selbst kam mit 18 Jahren zu einem lebendigen Glauben, als ich an der Universität Deutsch und Russisch studierte. Eine prägende Erfahrung war damals das Reisen durch Europa und das gemeinsame Feiern von Gottesdiensten mit Christinnen und Christen aus ganz unterschiedlichen Lebenslagen – und dabei die wunderbare Einheit in Jesus Christus zu entdecken. Katholische Freunde aus dem Sauerland, deren Väter im Zweiten Weltkrieg gegen die Briten gekämpft hatten. Menschen, die ich in Tschechien und Russland traf, die auf der anderen Seite des Kalten Krieges standen – und mit denen ich in Christus versöhnt war.
Eine der großen Gaben von Partnerschaften wie der zwischen der Kathedrale von Durham und dem Lübecker Dom ist, dass sie die versöhnende Einheit verkörpern, die uns in Jesus Christus geschenkt wurde. Wir können nicht übersehen, dass unsere Nationen vor nur wenigen Generationen im Krieg standen – mit schrecklichen Folgen für alle, auch für dieses Gebäude, in dem wir uns heute befinden. Doch wenn wir unsere Einheit in Jesus Christus feiern, zeigen wir der Welt, dass es eine gute Nachricht zu hören gibt: nicht die der Church of England oder der evangelische Landeskirche Schleswig-Holsten, sondern die gute Nachricht von Jesus Christus, der uns nicht nur individuell vergeben hat, sondern eine neue Menschheit in Jesus Christus aufbaut – eine, in der Spaltung nicht das letzte Wort hat, sondern in der wir gemeinsam Gott danken für all seine Barmherzigkeit.
Ich bin dankbar für diesen Besuch und die Möglichkeit, unsere Einheit in Christus zu bekräftigen. Möge Gott uns in Lübeck und in Durham segnen, während wir versuchen, die versöhnende Liebe Christi zu leben. Amen.
Very Revd Dr Philip Plyming Lübecker Dom, 12. Oktober 2025
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