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Weil Gott freie und liebende Mensche will. Predigt zum Gründonnerstag.

Weil Gott freie und liebende Mensche will. Predigt zum Gründonnerstag.

Weil Gott freie und liebende Mensche will. Predigt zum Gründonnerstag.

# D | Predigten

Weil Gott freie und liebende Mensche will. Predigt zum Gründonnerstag.

Warum ist diese Nacht anders als andere Nächte, liebe Gemeinde? Wieso, weshalb, warum? Mit den Fragen sind wir mitten im Pessachfest. Am Shabbat vergangenen Samstag hat es begonnen. Sonntag, wenn wir Ostern feiern, beschließen wir das Fest gemeinsam mit den jüdischen Geschwistern. Am Sederabend des Passafestes dürfen Kinder Fragen stellen, damit die Erinnerung lebendig bleibt. Dazu gehört die Frage: „Warum ist diese Nacht anders als andere Nächte?“ Die Antwort ist kostbar: „Weil wir uns erinnern, dass Gott freie Menschen will.“

Am Abend vor dem Pessachfest kommen der Jude Jesus mit seinen jüdischen Vertrauten zusammen. Sie erinnern an den Auszug der Kinder Israel aus Ägypten, an Freiheitsseligkeit, den Traum von einem Leben, in dem niemand bedroht, unterdrückt, verfolgt wird. Die Erinnerung macht die Freude aus. Sicher hat auch in ihrer Runde ein Kind oder vielleicht der jüngste Jünger gefragt: Warum ist diese Nacht anders als andere Nächte?

Es ist ein besonderer Abend mit einem besonderen Erinnerungs-Mahl: Ungesäuertes Brot wie beim überstürzten heimlichen Aufbruch aus Ägypten. Aufstrich wie Lehm der Ziegel, die die Kinder Gottes dort qualvoll strichen. Kräuter und Wasser für die bitteren Gedanken und Tränen. „Warum ist diese Nacht anders als andere Nächte? Weil wir uns erinnern, dass Gott freie Menschen will.“

Dies ist aber auch eine besondere Nacht mit einem besonderen Zeichen. Jesus greift zu Schüssel und Tuch. Wasser gluckst, schwappt leicht über. Raue Hände greifen schwielige Füße. Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt (Joh. 13, 34). Nah sind sie sich. Tiefe Gefühle. Worte fassen nicht, was geschieht. Erinnerung gräbt sich ein. Dass Gott freie Menschen will. Liebende Menschen. 

In aller Freiheit ist diese Nacht auch besonders, weil die größte Nähe später zur größten Einsamkeit wird. Diese Nacht ist ganz anders, weil schon zu ahnen ist: Da wird einer verraten und verkauft. Nicht am helllichten Tag, auf offener Straße, bei wachem Verstand. In dieser Nacht wird nicht nur die Liebe, sondern auch die Freiheit verraten.     

Oder ist es gerade Freiheitssehnsucht, die den Verrat veranlasst? Ein verzweifelter Versuch, Jesus zu provozieren, sich endlich als Held zu erweisen? Was wissen wir? „Verraten“ übersetzen wir und könnten auch „überliefern“ sagen. Es ist das gleiche Wort wie die Überlieferung, an die wir glauben. Paulus schreibt später: Ich nämlich habe als Überlieferung, die vom Herrn kommt, empfangen, was ich euch weitergegeben habe: In der Nacht, in der Jesus, der Herr, ausgeliefert wurde, nahm er Brot, sprach darüber das Dankgebet, brach es in Stücke und sagte: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Tut das immer wieder, damit unter euch gegenwärtig ist, was ich für euch getan habe! Ebenso nahm er nach dem Essen den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist Gottes neuer Bund, der durch mein Blut in Kraft gesetzt wird. Tut das, sooft ihr von ihm trinkt, damit unter euch gegenwärtig ist, was ich für euch getan habe! Jedes Mal also, wenn ihr dieses Brot esst und von diesem Kelch trinkt, verkündet ihr damit die Rettung, die durch den Tod des Herrn geschehen ist, bis er wiederkommt.

Was macht diese Nacht anders als andere Nächte? Vielleicht das: In den Berichten über dieses letzte gemeinsame Mahl von Jesus mit seinen engsten Vertrauten steht nichts über seine Erinnerung an den Verrat. Wir hören von seiner Trauer im Garten, von seiner Angst, seinem Tod. An die Stelle von Jesu Erinnerung tritt unser Gedenken an die Nacht der Überlieferung, die Nacht der Einsamkeit und Todesangst. An die Nacht des Todes, in die er hinabsteigt. Das ist kostbar. Denn damit wird die Nacht des Liebesverrats der Beginn der Liebesbeziehung zu den Verratenen. Weil Jesus verraten wird und hineingeht in diese Nacht, müssen wir nicht mehr fürchten, verraten und verkauft zu sein in dieser schrecklich-schönen, himmelschreiend ungerechten Welt. Er nimmt unseren Verrat auf sich. Er erträgt, was wir nicht aushalten. Aus Liebe zu uns.

Damit gilt immer noch und immer wieder: Jesus Christus, unser Herr, ist gegenwärtig, wenn wir sein Mahl feiern. Deshalb brauchen wir nicht in uns hineinhorchen, ob sich fromme Gefühle einstellen. Verlasst euch drauf: Er kommt. Wir brauchen uns darüber nicht den Kopf zerbrechen, wie dieses Kommen möglich ist. Verlasst euch drauf: Nicht unsere klugen Gedanken, sondern seine Liebe macht das möglich. Wir sollen auch nicht ängstlich fragen, ob wir würdig genug sind. Verlasst euch darauf, dass er gesagt hat: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.

Warum ist diese Nacht anders als andere Nächte? Weil wir uns erinnern, dass Gott freie und liebende Menschen will. Amen

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