19/11/2025 0 Kommentare
Geschlossene Gesellschaft oder Tag der offenen Tür? Predigt zum Buß- und Bettag.
Geschlossene Gesellschaft oder Tag der offenen Tür? Predigt zum Buß- und Bettag.
# D | Predigten

Geschlossene Gesellschaft oder Tag der offenen Tür? Predigt zum Buß- und Bettag.
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, denkst du. Du hättest es wissen können. Alles ist schon verquer losgegangen. Verschlafen. Aufgestanden mit dem falschen Fuß, Strümpfe verheddert. Der Kaffee zu heiß, das Hemd bekleckert, umziehen, kaum gefrühstückt. Zu spät los, Bus verpasst, fast vor ein Auto geraten. Die letzten Meter im Sprint, doch die Tür fällt zu. Zu spät. Durch den Spalt noch ein höhnischer Blick derer, die pünktlich waren. Wieder nicht gereicht. Selber schuld?
Sie alle hier haben es heute Morgen geschafft. Manche früh, andere knapp, aber Sie sind da. Rechtzeitig durch die große Tür in den Dom. Glück gehabt? Einmal fragte jemand Jesus: »Herr, werden nur wenige gerettet?« Da sagte Jesus zu den Leuten: »Ihr müsst euch anstrengen, um durch die enge Tür hineinzukommen. Das sage ich euch: Viele werden hineinwollen, es aber nicht schaffen. Wenn der Hausherr aufsteht und die Tür verschließt, dann werdet ihr draußen stehen. Dort werdet ihr an die Tür klopfen und rufen: ›Herr, mach uns auf!‹ Aber er wird euch antworten: ›Ich kenne euch nicht. Wo kommt ihr her?‹ Dann werdet ihr sicher sagen: ›Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken! Du hast auf den Straßen unserer Stadt gelehrt.‹ Aber der Hausherr wird euch antworten: ›Ich kenne euch nicht. Wo kommt ihr her? Macht, dass ihr alle fortkommt! Ihr alle tut, was gegen Gottes Willen ist!‹ Da draußen gibt es nur Heulen und Zähneklappern! Denn ihr werdet alle im Reich Gottes sehen: Abraham, Isaak, Jakob und sämtliche Propheten. Aber ihr selbst werdet ausgeschlossen sein. Viele werden kommen aus Ost und West und aus Nord und Süd. Sie werden im Reich Gottes zu Tisch liegen. Ihr werdet sehen: Die jetzt bei den Letzten sind, werden dann die Ersten sein. Und die jetzt bei den Ersten sind, werden dann die Letzten sein.«
Eine Geschichte von Drinnen und Draußen. Vom Glück, auf der richtigen Seite zu sitzen – und vom Pech, draußen vor zu bleiben. Das Richtige heute für uns? Die, die hier sind, Sie und ich und du, wir sind doch da, weil wir bei Gott anklopfen wollen. Weil wir mitarbeiten in seiner Kirche. Versuchen, zur rechten Zeit das Rechte zu tun und alle Anforderungen zu erfüllen. „Obwohl die Pforten offen stehen / und hell das Licht des Tages scheint, / kann doch hinein nicht jeder gehen, / zu sein mit Gott dem Herrn vereint,“ heißt es in einem alten Lied. Gibt es denn Menschen, für die gilt: Wir müssen leider draußen bleiben? Das Lied sagt: „Es ist kein Weg, denn nur der Glaube / an Jesus Christus, unsern Herrn; / wer den nicht geht, muss draußen bleiben, / solang er sich nicht will bekehrn.“ Bedrohlich. Beängstigend. Können wir genug Glauben vorweisen, gehst du oft genug zum Abendmahl, höre ich, was die Schrift lehrt? Ich vermute: Wir sind fast alle hier, weil wir wissen, dass wir das nicht so schaffen, wie wir es wollen. Weil wir spüren und uns eingestehen, dass wir eben nicht alles in unserem Leben im Griff haben und allein hinbekommen. Weil wir Gott suchen, obwohl und gerade weil wir Fehler machen und überfordert sind mit dem Tempo und den Anforderungen und all den Bad News dieser Welt. Wird er sich nun hinstellen und sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Und was ist mit denen, die ihn nie kennengelernt haben? Sind die völlig verloren?
Solche Worte machen Angst und bleiben rätselhaft. Was ist das für ein Fest hinter verschlossenen Türen? Wieso dürfen viele Menschen aus allen Himmelsrichtungen mit den biblischen Celebrities zu Tische sitzen, andere aber nicht? Ich frage mich, wo ich bleibe. Drinnen bei den Insidern, oder bleibe ich außen vor? Müssen wir büßen, weil wir nicht rechtzeitig, nicht genug, nicht richtig geglaubt haben? Von Martin Luther wissen wir: „Buße heißt nicht allein in Bezug auf das äußerliche Leben frömmer werden, sondern durch Christus auf Gottes Güte trauen und an die Vergebung der Sünden glauben. Solche Sünder will Christus annehmen.“ (Hauspostille 1544)
Ich glaube an die Vergebung der Sünden: Kann man sich bei Gott nur durch rechtzeitiges Kommen gute Plätze sichern? Ist der Glaube ein Kampf um die besten Plätze? Musst du also mitrennen? Kann ich versuchen, vorzudrängeln? Das widerspricht allem, was wir hören und leben und hoffen: dass Gott sich erbarmt über die, die ihn suchen und die ihre Schuld bekennen und an ihrer Unzulänglichkeit leiden. Wozu gibt es dann einen Buß- und Bettag, wenn doch alle Buße umsonst ist? Der Einlass zu Gott ist doch nicht wie das Gedränge beim Verkauf von IPhones oder Labubus, wo alle losstürzen, sobald die Türen aufgehen, die überdies zu eng sind und unbarmherzig verschlossen werden. Warum das alles?
Wie gut, dass die Geschichte, die Jesus da erzählt, nicht für sich steht. Im Evangelium haben wir vom Feigenbaum gehört, der einfach nichts mehr bringt. Er liefert nicht. Der hat seine Chance gehabt und stört nur noch. Also soll er weg. Gnadenlos. Aber der Gärtner stellt – wenn wir im Bild des Predigttextes bleiben – seinen Fuß in die Tür: Warte ab. Da entwickelt sich was. Sprich noch kein Machtwort. Gib ihm eine Chance. Vielleicht gibt es einen Weg. Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?, könnte der Gärtner mit Paulus (Röm. 2, 4) fragen. Gott zeigt dir Wege zur Umkehr, lässt dich Veränderung ahnen.
Was, wenn wir am Bußtag die Umkehr wörtlich nehmen, wenn wir das Bild unseres Predigttextes umkehren? Ja, Jesus erzählt von der engen Pforte und von der verschlossenen Tür. Ja, es gibt nicht für alles eine schnelle Entschuldigung. Ja, es kann zu spät sein und die Tür kann zu sein – aber ist sie es bei Gott oder bei uns? Denn da ist auch die andere Geschichte aus der Offenbarung des Johannes. Dort heißt es: Alle, die ich liebe, weise ich zurecht und erziehe sie streng. Mach also Ernst und ändere dich. Hör doch! Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten. Ich werde mit ihr das Mahl einnehmen und sie mit mir. (Offb. 3, 19-20)
Wer klopft bei wem an? Wer steht vor welcher Tür? Wenn du dich auf den Weg zu Gott machst, dann kann es passieren, dass du mit dem falschen Bein zuerst aufstehst und alles schiefläuft. Dann kann es sein, dass du nicht alles auf die Reihe bekommst wie geplant. Aber du musst nicht rennen, um gerade noch hineinzukommen in den Raum seiner Gnade. Viel wichtiger ist, dass du dir Zeit nimmst, zur Ruhe kommst und in dir Raum machst. Dass du die Tür in dir selbst aufmachst und dein Herz öffnest. Denn wo du dich auf den Weg zu ihm machst, da ist er dir schon längst entgegengekommen. Da steht Gott vor deiner Tür und klopft an und will bei dir, bei mir, bei uns sein, will mit uns Abendmahl feiern und uns frei machen, dich und mich. Frei von der Angst, im Leben immer zu spät zu kommen, etwas zu verpassen, für alles bestraft zu werden.
Wie das gehen soll, fragst du? Jesus Christus selber gibt die Antwort, und sie ist verwirrend einfach: Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden. (Joh. 10,9) Er selber ist der Weg. Und das gibt dir die Gewissheit, dass über dem Bußtag nicht steht: „Wir müssen leider draußen bleiben“. Das eröffnet das Vertrauen, dass für den Bußtag und für dich und mich gilt: Bei Gott ist jeden Tag „Tag der offenen Tür“.
Amen
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